Stapelfelder Fototage mit rund 250 Gästen / Walz-Ausstellung in der Akademie eröffnet
(Stapelfeld). Mutig ist sie, die vermeintliche „Blümchenfotografin” aus Meck-Pom. Und konsequent. Wenn sich Sandra Bartocha im frostigen Norden auf Spitzbergen neuen Herausforderungen stellt, dann läuft die Kamera mit. Auch wenn der Hundeschlitten auf der Premierenfahrt strauchelt und sie herzhaft fluchend kopfüber im Tiefschnee landet. Und genauso konsequent hat sie diese Szene später auch nicht rausgeschnitten, sehr zum Vergnügen der rund 250 Gäste, die bei den Stapelfelder Fototagen ihren spannenden Werkstattbericht miterlebten. Hier erzählte die junge Fotokünstlerin, wie das Gemeinschaftsprojekt mit Werner Bollmann über vier Jahre entstanden und gewachsen ist: „Lys” heißt ihre „Hommage an das Licht des Nordens”.
Das Duo bereiste Lebensräume im ganzen europäischen Norden, suchte in lichten und stillen Wäldern, an ruhigen Gewässern und sturmumtosten Küsten, in der Tundra, in schwedischen Schärengärten und auf Gletschern nach diesem ganz besonderen Licht – und fing es ein im Sonnenglitzern auf sanften Wellen, in Tautropfen im Spinnennetz oder fluoreszierend auf zarten Waldmoosknospen, als diffuse Pastellmalerei oder hellstrahlend am Horizont, als golden schimmernder Küstensaum, in der silbrigen Silhouette eines Bären auf mondbeschienener Lichtung, in der sprühenden Gischt milchig-mintgrüner Brandung oder im Schneesturm am Felshang. Und natürlich in imposanten Polarlichtern.
Multivisionsshow begeisterte die Foto-Fans
Schon während der Reisen durch Skandinavien bastelten die beiden Fotografen jeden Tag am Layout für ihren Bildband und an einer Multivisionsshow aus Fotos, Videos und Zeitrafferaufnahmen. Anhand laufend von unterwegs gelieferten „Mood-Boards” untermalte Komponist Thorsten Harder die Aufnahmen mit Streichern, Flöten und Synthesizerklängen, unter die er auch immer wieder Original-Sounds wie Vogelstimmen, Sturmbrausen, Grillenzirpen und andere Geräusche mischte. Um es kurz zu machen: Das Publikum in Stapelfeld war begeistert. Und viele sicherten sich auch gleich den eindrucksvollen Bildband dazu. Wer mehr wissen und sehen will, sollte einfach mal unter www.lys-publishing.com reinklicken.
Adagio-Ausstellung eröffnet
Bartocha und Bollmann ließen sich Zeit für ihre Bilder. Das haben sie gemeinsam mit Bernd Walz. Und sonst nicht viel. Denn der Potsdamer zeigt in seiner Ausstellung „Adagio”, die am Freitag in Stapelfeld eröffnet wurde, eine ganz andere Facette der Naturfotografie. Er folgt in seinen Langzeitbelichtungen dem Prinzip der Reduktion, arbeitet nur in Schwarz-Weiß, mit wenigen, fast mathematisch komponierten Motivelementen, die in ihren Formen und Linien, Kontrasten und Schattierungen eine „Ästhetik des Kargen” schaffen, erklärte Dr. Martin Feltes in seiner Einführung. So entstehen an von Menschen verlassenen Orten der Einsamkeit Bilder mit einer fast eindringlichen Ruhe, die den Betrachter einladen, sich darin zu versenken und die eigenen Gedanken ins Innere reisen zu lassen. Rund 40 seiner Bilder wurden für die Ausstellung im Profilabor von CEWE in Oldenburg auf großformatige Alu-Dibond-Platten gedruckt. Sie sind noch für einige Wochen im Foyer und in den Fluren der Katholischen Akademie Stapelfeld zu sehen.
Hirsch im „Halleluja-Licht” und mehr
Auch die anderen Referenten beeindruckten mit großartigen Fotos aus ganz verschiedenen Themenfeldern. So nahm Sandra Malz die Fotofans mit auf eine „Safari” in den Mikrokosmos der Tierwelt – mit filigranen Insekten und anderen kleinen Lebewesen in faszinierender Farbigkeit vor der Makrolinse. Förster Heiko Arjes teilte seine Begeisterung für die Senne-Region am Fuß des Teutoburger Waldes mit den Besuchern. Er präsentierte Rothirsche im abendlich goldenen „Halleluja-Licht”, erzählte anhand eines Bussards auf dem Panzerwrack, wie sich die Natur mit dem aktiv genutzten Truppenübungsplatz in der unteren Senne arrangiert hat, und er verriet schmunzelnd, wie er einen Mistkäfer mit eigens gesammelten und gezielt platzierten Hirschkotkügelchen sehenswert vor seine Linse lockte. Auch Bernhard Brautlecht würzte seine Bilderserie aus dem Leben der Wasseramsel mit vielen humorigen Anekdoten, ebenso wie Karsten Mosebach und Hermann Hirsch, die den Besuchern praktische Tipps für richtig gute Naturfotos gaben.
Verbundenheit mit der Natur macht frei
Eine ganz besondere Geschichte erzählte Jan van der Greef. Der Niederländer sitzt seit einer Polio-Erkrankung im Kindesalter im Rollstuhl und kann nur wenige Schritte gehen. Doch das hindert ihn nicht, mit seiner Kamera rund um die Welt zu reisen und fantastische Bilder zu fotografieren. Mit engagierten Helfern, technischen Hilfsmitteln und trickreichem Improvisieren kommt er eben doch überall hin, wo er hin will: An Orte, wo er die Verbundenheit von Mensch und Natur spürt, wo Raum und Zeit keine Rolle spielen, wo sich für ihn Freiheit und Frieden breit machen. Dieses „Eins-sein mit allem um mich herum” ist das, was Jan sucht, seit er als Junge die erste Kamera mit 12er-Film von seinem Vater geschenkt bekam.
Jetzt würde man von einem nur eingeschränkt mobilen Fotografen „out in the wild” wohl vor allem Landschaftspanoramen, Pflanzendetails und ähnliches erwarten, was auch in halbwegs bequemer Position abzulichten ist. Doch van der Greef verblüffte mit großartigen Tele-Aufnahmen von Adlern beim Fischfang in Alaska und Finnland, von brasilianischen Kolibris, die farbenprächtig gefiedert Nektar aus einer exotischen Blüte saugen, von Möwen in Norwegen, Schneegänsen in New Mexico und spielenden Wolfswelpen in Äthiopien – immer ganz nah dran und gestochen scharf.
Ein interdisziplinäres Projekt widmete sich dem Baum als Spiegel des Lebens. Sein und werden, im Verwurzeltsein, Halt finden und geben, wachsen und sich als einmalig entfalten, am Ende trotz Vergänglichkeit Bedeutung für das Leben bewahren – all das veranschaulichte eine vielfältige Bilderserie von Willi Rolfes, kombiniert mit poetischen Denkanstößen von Dr. Heinrich Dickerhoff und Conny Sandvoß, und musikalisch interpretiert von Dr. Ulrike Kehrer und Arthur Mildner mit Melodien des zeitgenössischen Komponisten Ludovico Enaudi auf Klavier und Geige. „Ich bin stolz, hier in Stapelfeld solche Kollegen zu haben”, meinte Dr Martin Feltes, der in seinem eigenen kunsthistorischen Vortrag die Landschaft als Motiv in Malerei und Fotografie untersuchte.
Fototage 2018 vom 16.-18. Februar
Alle Referenten stellten sich in vertiefenden Workshops den Fragen interessierter Besucher, was diese gern nutzten, um noch den ein oder anderen „Insider” mitzunehmen. Auf großes Interesse stieß auch der Fotomarkt. Hier informierten Buchverlage, Reiseveranstalter und Ausrüster über aktuelle Angebote und „Specials” für die Naturfotografie – vom Tarnzelt über Teleobjektive bis zum Offroad-Fahrrad mit Stativ-Köcher. Cewe informierte über das Gestalten eigener Fotobücher und hatte zudem wieder einen Printer mitgebracht, mit dem die Besucher eigene Bilder kostenlos auf hochwertigem Fotopapier ausdrucken konnten.
Im nächsten Jahr finden die 7. Stapelfelder Fototage vom 16. bis 18. Februar 2018 statt. Viele Stammgäste haben sich dafür schon wieder angemeldet. Alle Infos dazu finden Interessierte im Laufe des Jahres im Internet unter www.inspiration-natur.com.
Ein Beitrag von Gaby Westerkamp