Beginnen möchte ich dieses Projekt mit einem Blick zurück. Für eine Publikation benötigte ich ein Foto von einer Waldohreule. Nun zählt diese wunderschöne Eule leider zu den Arten, die ich in den vergangenen 15 digitalen Jahren nicht mehr fotografiert habe. Als Student kannte ich einige Winterschlafplätze rund um Vechta und habe hier häufig fotografiert. Diese Plätze sind heute verwaist und mit Frau und Kindern schlägt man sich die Nächte anders um die Ohren. So musste ich feststellen, dass mein digitales Fotoarchiv unter dem Stichwort „Waldohreule“ leer ist. Mit einem leichten Hauch von Enttäuschung im Gesicht, erinnerte ich mich an die Zeit vor 25 und mehr Jahren, als ich mich naturfotografisch intensiv mit den heimischen Eulen befaßte. Mein Weg führte mich auf den Dachboden unseres Hauses, wo ordentlich sortiert zehntausende Dias lagern. Dem Schlagwortregister meines Archivs konnte ich entnehmen, dass unter der Registernummer 57 die Waldohreulen zu finden sind. Und was soll ich sagen: Dort lagern nahezu 300 ausgewählte Dias. Ich machte es mir auf dem Dachboden gemütlich, denn eine Zeitreise begann. Zunächst suchte ich meinen Leuchtkasten, den ich gleich um die Ecke fand. Nun konnte ich mit meiner legendären Dialupe „Macromax 5 x“ der Firma EMO aus Wetzlar die ersten Bilder sichten.
Besonders in Erinnerung geblieben ist mit eine Aktion auf dem Friedhof eines Klosters. Hier gab es alljährlich im Winter eine große Rastgesellschaft der Eulen. Ich bot ihnen Futtermäuse an und die Eulen ließen sich nicht lange bitten. Doch bevor sie zugreifen konnten, musste ich zugreifen. Denn eine freundliche Ordensschwester hatte nicht nur Freude an den Eulen, sondern auch daran, einen jungen Mann mit einem Abendbrot zu verwöhnen. Sie brachte Bratkartoffeln und Würstchen ins Auto. Und so sehr ich auch um Verständnis bat, gleich mit dem Fotografieren beginnen zu dürfen, es gelang mir nicht. Ohne Abendbrot keine Eulen! Danach nahm sie auf dem Beifahrersitz platz und verfolgte entzückt dem Treiben der Eulen. Ein zunächst gar nicht beabsichtigter Nebeneffekt war, dass die Eulen seither unter dem besonderen Schutz der Schwesterngemeinschaft standen und die Friedhofsbesucher gebeten wurden, sie nicht zu stören.
Die Bilder im Februar 1996 wurden mit der Nikon F3 HP und der Nikon F4s gemacht. Die F4s hatte zwar schon einen Autofokus, der allerdings nachts nicht zu gebrauchen war. Es wurde manuell auf einen bestimmten Punkt vorfokussiert, in der Hoffnung, dass sich dort etwas zuträgt. Die Fernauslösung erfolgte per Kabel. Bluetooth, Infrarot und W-LAN waren Fremdworte und so musste alles verdrahtet und trittsicher verlegt werden. Als Lichtquelle dienten die „unkaputtbaren“ Metz CT45 Blitze. Weiter unten läßt sich der Aufbau in einem Arbeitsfoto nachvollziehen. Die Eulen landetet bei völliger Dunkelheit auf einer Ansitzwarte. Von dort beobachteten sie die Situation. Dieser Ansitz befand sich beim Eulenbaum und war für die Waldohreulen nicht zu übersehen. Die drei Kameras waren auf diesen Punkt aus unterschiedlichen Winkeln gerichtet. Nun könnte man meinen, dass das zu erwartende Blitzlichtgewitter oder die Auslösegeräusche der Kameras die Eulen stört. Lediglich am ersten Abend waren sie vorsichtig. Danach hat es sie nicht mehr beeindruckt. Mehrnoch, die Blitzgeräte wurde auch als Ansitzwarte genutzt und sahen ähnlich aus, wie der Vordergrund des unteren Bildes.
Bei der Suche nach den Bildern von der Waldohreule, konnte ich es nicht lassen, einen Blick in Kasten mit den Schleiereulen zu werfen. Auch hier dauerte es nicht lange, bis eine Vielzahl von Erlebnissen und Geschichten wieder lebendig wurden. Dazu zählt das Bild einer Schleiereule auf dem Dachboden meiner Schwiegereltern vom Juli 1988. Meine Frau und ich hatten eine Beobachtung gemacht: Es war Erntezeit und das Giebeltor zum Dachboden des Bauernhauses stand offen, da immer wieder neues Stroh hinaufbefördert wurde. Das hatte auch eine Schleiereule bemerkt, die in der Nachbarscheue brütete. Die suchte den Dachboden bei einsetzender Dunkelheit regelmäßig auf, um dort zu jagen. Sie landete auf dem ersten Querbalken des Heubodens, kontrollierte die Situation und begann dann mit der Mäusejagd. Nachdem wir das wiederholt beobachtet hatten, stand unser Plan fest. Wir bauten uns im Stroh ein gemütliches Versteck, nahmen eine Flache Bier mit und warteten was passiert. Zwei Metz-Blitze waren auf den Balken gerichtet und in einiger Entfernung stand auf einem schweren Vermessungsstativ aus Holz eine Nikon F3 HP mit dem legendären Nikkor 3.5/400. Das Blitzkabel wurde an einem fummeligen Stecker direkt an der Kamera befestigt. Da es sich in der Dunkelheit gerne löste, wurde der Stecker vor der Montage mit den Zähnen zusammengepresst, um den Halt zu verbessern. Selbst ein einfaches Drehgewinde für die Montage gab es, selbst bei dieser ansonsten sensationellen Profikamera, nicht. Da ist heute jede Kamera besser ausgestattet! Damals wie heute wurden fehlende Features der Kamera mit Tesa-Gewebeband kompensiert. So auch hier. Die F3 wurde mit einem Kodachrome 64 bestückt und das Warten konnte beginnen. Die Eule war pünktlich und wir hatten Last, die Flasche Bier zu leeren.
Mit dem soeben wiederentdeckten Dia in der Hand kam meiner Frau der Gedanken, unserem Neffen, der heute das Haus bewohnt, zum bevorstehenden Geburtstag einen gerahmten Druck des Bildes zu schenken. Doch hier stellte sich die nächste Frage: Wie kann man Dias im Jahr 2021 optimal digitalisieren und wie ist die Qualität der Dateien? Ich hatte es in den zurückliegenden Jahren vermieden, selbst zu scannen, da ich die dafür aufgewandte Zeit für rückwärts investiert hielt. Also versuchte ich zunächst mit dem Nikon Coolscan 5000 ED mein Glück. Doch die Dateien gefielen mir nicht. Die Möglichkeiten der Nachbearbeitung waren begrenzt und die Qualität der Ergebnisse hielten sich in Grenzen. Ein Freund machte mich auf eine andere Methode aufmerksam. Nikon bietet für das AF-S Micro-NIKKOR 60 mm 1:2,8G ED eine Dia-Kopiervorsatz an. Dieser sogenannte Filmdigitalisierungsadapter ES-2 erlaubt mit der D 850 exzellente 1:1 Kopien im RAW-Format zu erstellen und das bei einer Auflösung von 45 Millionen Pixeln. Außerdem ist die Handhabung denkbar einfach und der Workflow für die Bearbeitung ist der selbe wie sonst. Was soll ich sagen? Die Bildergebnisse sind außergewöhnlich gut. Ich habe in den 90er Jahren das Bild der Schleiereule oft in Ausstellungen verwendet. Doch noch nie haben ich eine derart ausgewogenen Druck dieses Bildes in der Hand gehalten. Die Abzüge von Kodachrome Dias waren in der Regel farblos und zu kontrastreich, dafür aber wenigstens scharf. Da mir nunmehr eine hochauflösende RAW-Datei des Bildes vorlag, konnte ich die Schwächen des Dias ausgleichen. Ein Druck auf Hahnemühle Papier im A2 Format zeigte mir die Eule ein einer noch nie gesehenen Qualität. Zwar ist das Ergebnis mit dem Detailreichtum einer heutigen Aufnahme nicht vergleichbar. Allerdings muss man sich auch fragen, was denn an Schärfe und Auflösung nötig ist, um ein Bild im A2-Format zu erstellen und es mit dem erforderlichen Betrachtungsabstand zu präsentieren. Und dafür reicht die Qualität. Bei der Reproduktion einiger Dias fiel mir allerdings etwas anderes auf und das möchte ich hier auch erwähnen. Die hohe Auflösung der Reproduktion und das heutige Sehempfinden legen technische Fehler bei den Dias schonungslos offen. So musste ich bei genauem Hinsehen immer wieder feststellen, das nicht alle Dias wirklich scharf waren. In einer Zeit, als es noch keinen Autofokus gab, nicht wirklich verwunderlich.
Das Bild der Eule hängt heute nahezu an der Stelle, wo es vor 33 Jahren aufgenommen wurde, denn der Dachboden wurde zu einer Wohnung ausgebaut. Auch die Schleiereulen leben noch auf dem Hof, was sicherlich keine Selbstverständlichkeit ist!